Leben in der Gesundheitsdiktatur

Juli Zehs Schauspiel »Corpus Delicti« kommt auf die Bühne der BOXX

Pressemeldung der Firma Theater Heilbronn
Corpus delicti / Bild: © Verena Bauer


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Premiere am 18. Juni 2022, 20 Uhr, BOXX des Theaters Heilbronn

Corpus Delicti

Schauspiel von Juli Zeh

Inszenierung: Nicole Buhr

Ausstattung: Gesine Kuhn

Dramaturgie: Sophie Püschel

Mia Holl: Nora Rebecca Wolff

Moritz Holl u.a.: Cosima Fischlein

Kramer: Andreas Schlegel

Rosentreter u.a.: Rouven Klischies

Weitere Vorstellungen: 20.06.; 21.06.; 28.06.; 30.06. – jeweils um 11 Uhr; 02.07. – 15 Uhr

Wiederaufnahme in der Spielzeit 2022/2023

Gesund sein und sportlich sein, ein Leben ohne körperliche und seelische Schmerzen führen – das ist das erklärte Ziel in der Gesellschaft, die Juli Zeh in ihrem 2007 entstandenen Schauspiel »Corpus Delicti« zeichnet. Alles ist dem Diktat der Gesundheit unterworfen. Wer sich seinen bürgerlichen Pflichten nicht fügt, wird zum Staatsfeind erklärt, verfolgt und ausgeschaltet. Juli Zeh verwebt Themen wie Gesundheitswahn, Biopolitik, Körperoptimierung und Werteverfall mit einem Gerichtsdrama zu einem spannenden Plot. Sie zeigt, wie sich unter dem Deckmantel der staatlichen Fürsorge ein totalitäres System entwickelt. Jetzt kommt »Corpus Delicti« auf die Bühne der BOXX. Die Premiere ist am 18. Juni um 20 Uhr. Regie führt die Leiterin des Jungen Theaters, Nicole Buhr.

Sie findet die Aktualität des Stoffes frappierend. Denn eigentlich handelt es sich um eine Überspitzung von Denkweisen und Handlungsformen, die schon existieren. Bereits heute ist man Designer des eigenen Lebens und dazu aufgerufen, an der Perfektionierung und Präsentation der eigenen Person zu arbeiten. Und sind wir Bürger in einem auf die Bekämpfung von Covid 19 ausgerichteten Staat nicht auch auf dem Weg in solche Zustände wie Juli Zeh sie in »Corpus Delicti« beschreibt? Die Autorin selbst sagt dazu in der Süddeutschen Zeitung: »Was wir auf alle Fälle festhalten können, ist, dass zurzeit tief in die Grundrechte von Bürgern eingegriffen wird, ohne dass die Rechtsgrundlage geklärt wäre. Man muss deshalb nicht gleich von einer Diktatur reden.«

Zum Inhalt

Irgendwann in der Mitte des 21. Jahrhunderts. Die Menschheit befindet sich in einem Idealzustand – so scheint es. Die Bürger leben friedlich und im Einklang mit der Natur zusammen. Von Krankheit und Schmerzen sind sie verschont. Höchstes staatliches Ziel ist die Gesundheit des Einzelnen und daraus resultierend des gesamten Volkes. Darüber wacht die METHODE, eine Gesundheitsdiktatur, die über implantierte Chips unter der Haut die biologischen Daten der Leute kontrolliert und die Lebensweise vorgibt. Alle Bürger sind verpflichtet, sich durch Sport und gesunde Ernährung fit zu halten. Sogar die Partnerwahl darf einzig und allein unter dem Aspekt der Kompatibilität der Immunsysteme erfolgen.  Alles, was der Gesundheit schadet, ist strengstens verboten. Negative Gefühle wie Trauer, die das Seelenleben destabilisieren, sind keine Privatsache und sollten schnellstens überwunden werden.

Mia Holl, eine junge Biologin vernachlässigt ihre Gesundheitspflichten und muss sich deshalb vor Gericht verantworten. Aus Schmerz um ihren toten Bruder macht sie keinen Sport und kann nicht mehr schlafen. Sie raucht Zigaretten, deren Duft sie an Moritz erinnern. Ihm wurde der Prozess gemacht, weil er eine junge Frau ermordet haben soll. Trotz seiner hartnäckigen, für Mia überzeugenden Unschuldsbeteuerungen wurde er verurteilt und nahm sich im Gefängnis das Leben. Er war ein Freidenker und damit quasi ein Staatsfeind. Sein Prozess wurde von einer Hetzkampagne in der Presse begleitet, die Heinrich Kramer, einer der Chefideologen der METHODE, vorangetrieben hat. Mia Holl macht Kramer für den Tod von Moritz verantwortlich.

Eigentlich ist Mia überzeugte Methodistin. Durch den Prozess und den Tod ihres Bruders aber beginnt sie zu zweifeln. Sie bittet um etwas Zeit für ihre Trauer, bevor sie wieder ihren staatsbürgerlichen Gesundheitspflichten nachkommt. Und sie überlegt: Könnte es nicht doch einen Fehler im System der für unfehlbar erklärten METHODE gegeben haben, der dazu geführt hat, dass ihr Bruder unschuldig verurteilt wurde?  Mia Holls Fragen und ihre Abweichung vom gesunden Lebensweg werden immer weiter kriminalisiert. Sie wird zur Terroristin erklärt und wider Willen zur Galionsfigur für alle, die an der METHODE zweifeln.  

Moderne Hexenverfolgung

Juli Zeh schrieb das Theaterstück »Corpus Delicti« für die Ruhrtriennale 2007. Die Autorin wollte eine moderne Hexenjagd beschreiben und von einer jungen Frau erzählen, die zur Ausgestoßenen und zur Staatsfeindin wird. Nicht von ungefähr tragen zwei Figuren Namen, die an historisch verbriefte  Protagonisten aus der Zeit der Hexenverfolgung angelehnt sind: für Kramer, den Chefideologen der METHODE, ist Heinrich Kramer, der Verfasser des »Hexenhammers« (1486), Namensgeber. Für Mia Holl ist die als Hexe verfolgte Maria Holl, Gastwirtin aus Ulm, Namenspatronin.  Hexenverfolgung ist aus Sicht von Juli Zeh nicht nur ein schrecklicher Vorgang aus alten Zeiten, sondern ein allgemeingültiges und zeitenübergreifendes Prinzip von Gesellschaftsbildung und Machterhalt. So spannend, dass er immer wieder neu erzählt wird.

Totalitäres System unterm Deckmantel staatlicher Fürsorge

2009 schuf Juli Zeh aus dem Schauspiel den Roman, um den Stoff vielen Menschen zugänglich zu machen.  Die Autorin bezeichnet ihn als ihren ersten, ja sogar ihren einzigen politischen Roman.  Juli Zeh sagt: »Corpus Delicti setzt sich mit vielen Themen auseinander, die für unsere heutige Gesellschaft wichtig sind. Welches Menschenbild pflegen wir, wie wollen wir zusammenleben, welche Werte sind wichtig für uns? Es ist dringend nötig, dass wir jenseits des schnellen Nachrichtengeschäfts in einen Diskurs eintreten, der uns die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft vor Augen führt. Nicht als Apokalypse, sondern als Chance.«   



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    • Corpus delicti / Bild: © Verena Bauer


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